Magazin Notabene

«Hören Sie auf über Preise zu schimpfen…»

Ein Gespräch rund um Dienen, Manieren, Gäste, Gastgewerbe und mehr mit Zita «The Butler» Langenstein.

September 2022

  • Museum Kloster Muri
  • Persönlich

Zita The Butler ist schweizweit der Inbegriff guter Manieren und Wissen um Etikette. Und das ganz locker. Auch dieses Jahr wird Zita Langenstein im Dezember wieder einen Afternoon-Tea servieren und dazu interessantes rund um ihren Beruf erzählen. Anlässlich der Ausstellung des Privatarchivs der Kaiserin Zita «Für Gott, Kaiser und Kinder» hält sie zudem einen spannenden Vortrag.

Sie sind der Überzeugung, nicht jede Kundin wolle eine Königin sein, nicht jeder Kunde ein König. Warum – wir wären doch alle gerne königlich?
In der Realität ist es sehr anstrengend eine Königin, ein König zu sein. Der Anspruch an das eigene Verhalten ist extrem hoch, man muss in jeder Situation exakt wissen, wie man sich zu benehmen hat. Wenn man weiss, was ein König wirklich macht … Ich kann mir nicht vorstellen, dass das jemand möchte.

Aber jede und jeder möchte doch behandelt werden wie eine Königin, ein König?
Ja, es gibt diesen eher philosophischen Ansatz, dass Kunden im Mittelpunkt stehen sollen. An sich ist das schon richtig. Doch nicht alle möchten in diesem Mittelpunkt gestellt werden, sie möchten ganz pragmatisch die Hauptleistung erhalten. Und das ist auch richtig so.

Stimmt es, dass Sie weltweit die erste Frau waren, welche eine Ausbildung zur Butlerin gemacht hat?
Ja, das ist so. Aber ich bin bei weitem nicht die erste Butlerin der Welt. Es gab und gibt viele Frauen, die als Butler arbeiten, aber die Ausbildung nicht gemacht haben. Früher war diese rein Männern vorbehalten.

Butler zu sein, heisst dienen. Ist das Dienen nicht längst überholt?
Im Gegenteil. Dienen ist aktueller denn je. Zumal es glücklich macht, wie ich immer sage. Ich glaube, wir haben heute eine etwas sehr schräge Vorstellung vom Dienen. Aus meiner Perspektive gibt es keinen Beruf, der nicht in irgendeiner Weise dient. Der Arzt dient dem Patienten, das Pflegefachpersonal ebenfalls und dem Arzt dazu, der Verkäufer dient dem Kunden, der Bundesrat dem Land. Dienende Aspekte gibt es überall und in jeder Tätigkeit. Wichtig scheint mir, dass man sie wahrnimmt und richtig gut macht. Hier finden wir die Wertschätzung, die uns so wichtig ist, hier finden wir Anerkennung – und unsere wahre Berufung.

Wie wichtig sind Umgangsformen heute noch?
Mir persönlich sind sie schon wichtig. Ich finde es wunderbar, wenn ein Herr seiner Partnerin den Stuhl rückt oder in den Mantel hilft. Oder auch wenn eine Gruppe ruhig ans Desserbuffet geht und sich die Teller nicht überlädt. Sicherlich gibt es auch einige Regeln, die passé sind. Genau deshalb sollte man die Benimm-Regeln lernen: Damit man weiss, welche sind für mich persönlich und beruflich wichtig, welche bringen mich vielleicht sogar weiter – und welche sind es, die zwar schön sind zu wissen, für mich aber vielleicht jetzt gerade nicht vonnöten.

Wir alle sind immer mal Gastgeberin oder Gastgeber. Haben Sie drei Tipps für uns?
Gerne. Als Erstes, dass man sich auch privat vorbereiten soll: Wer kommt zu mir und welche Spezialwünsche haben diese Menschen. Essen sie vegan, haben sie Allergien oder Unverträglichkeiten?

Kommen Ihre Gäste nicht zum ersten Mal, ist es hilfreich, wenn Sie sich zurückerinnern: Was gab es letztes Mal? So können Sie dieses Mal etwas ganz anderes machen und Abwechslung schaffen – ausser natürlich es handelt sich um ein Dinner, das traditionell jedes Mal gleich ist.

Erzeugen Sie ausserdem Wow-Momente. Zum Beispiel mit einem Täfelchen vor dem Haus mit einem Willkommensgruss, oder mit einem Blumenstrauss auf dem Tisch. Der Tisch sollte übrigens mit Stoff und Stoffservietten gedeckt sein, man könnte auch im privaten Rahmen ein Menu schreiben und die Weinbegleitung schon nennen, das ist immer wieder toll.

Und wenn ich Gast bin, was sind hier die wichtigsten Verhaltensregeln?
Halten Sie unbedingt die Zeit ein! Wenn die Einladung auf 19:00 Uhr lautet, heisst das nicht viertel vor, sondern Punkt. Eine bis zwei Minuten darf man zu spät kommen, sonst sollte man sich melden und die Verspätung – beispielsweise wegen Stau – ankündigen. Sollten Sie tatsächlich zu früh dort sein: warten Sie, bis es Zeit ist.

Zum Zweiten, man isst, was auf den Tisch kommt. Und man lobt das Essen. Sätze wie, «das war jetzt nicht so meines» oder schon beim Hereinkommen zu sagen, dass man nur wenig esse, weil man gerade am Abnehmen sei und so weiter, das sind absolute No-Gos. Ausser natürlich bei Allergien, aber diese melden Sie ja schon im Vorfeld.

Bringen Sie drittens immer, und ich meine wirklich immer, ein Geschenk mit. Das ist Pflicht. Ich finde es übrigens wunderbar, wie die Queen das macht – ja, auch die Queen wird eingeladen: Sie schickt immer eine Pflanze oder einen Blumenstrauss voraus. So entsteht für Ihre Gastgeber kein Stress und durch die schöne Überraschung ist die Stimmung von Beginn an gut.

Wenn wir schon dabei sind: Wie sieht es als Gast im Restaurant aus? Gibt es hier zwei/drei gute Tipps?
Einer ist, dass man auf die Mitarbeitenden warten, meistens wollen sie einem den Tischen zeigen oder geben – passen Sie als Gast sich hier an. Warten Sie auf den Moment, in dem Sie fragen können, wie die Person heisst, die Sie bedient. Sprechen Sie sie dann mit dem Namen an, daraus ergibt sich fast wie von selbst ein anderes Niveau des Services. Zu guter Letzt, lassen Sie sich beraten, wenn die Servicefachkraft zeigt, dass sie dies möchte. Beratung ist eine Kompetenz, die Servicemenschen heute fast nicht mehr einsetzen dürfen.

Warum?
Weil man heute so wenig Zeit hat, alles soll schnell gehen. Gute Beratung kann auch ganz kurz sein, zum Beispiel in Form eines kleinen Tipps zum passenden Getränk oder zum Essen.

Gibt es Tabus für mich als Gast in einem Restaurant?
Tabus nicht gerade – das «Frollein» ist ja zum Glück ausgestorben unterdessen. Die Mitarbeitenden im Gastgewerbe sind trainiert darauf, verschiedenste Menschen freundlich zu bedienen. Sollten Sie einmal nicht zufrieden sein, warten Sie den passenden Moment ab und geben Sie Ihre Rückmeldung mündlich und persönlich. Im Idealfall fragen Sie nach, ob sie Ihre Mitteilung dem Mitarbeiter direkt sagen sollen oder lieber der Chefin. Das ist zwar eine wirklich delikate Situation, die mit Taktgefühl gelöst werden sollte, aber so wird man auch gehört und erhält eine bessere Leistung.

Halbvolle Teller, die zurück gehen, ein Durcheinander auf dem Tisch, schreiende Kinder – all das sind keine No-Goes für Servicepersonal?
All das ist zwar unangenehm und vorab aufgetürmte Teller vielleicht etwas stillos, aber Servicemenschen können damit gut umgehen, wie gesagt. Was mir noch einfällt: Wir Gäste sollten dringend aufhören über die Preise zu motzen. Der Preis sei zu hoch, das kann nur jemand beanstanden, der nicht weiss, wie im Gastgewerbe kalkuliert wird und sowieso schon zu tief kalkuliert. Die richtige Aussage und vor allem dann, wenn auch normal kalkuliert würde, wäre eigentlich: «Ich kann oder will es mir nicht leisten.»

Zita kommt zu Zita. Sie halten anlässlich der Ausstellung «Für Kaiser, Gott und Kinder» einen Vortrag rund um kaiserliche Etikette und mehr. Freuen Sie sich darauf?
Ja, sehr! Ich bin sehr aufgeregt, denn Zita – nach der ich übrigens benannt bin – ist schon eine Liga für sich. Ich habe mich den ganzen Sommer über eingelesen und vorbereitet.

Eine Liga für sich?
Über Königshäuser ist viel Klamauk geschrieben worden und sie wurden und werden schlecht geredet. Deshalb recherchiere ich in solchen Fällen immer ganz besonders gut. Gerade über Kaiserin Zita wurde ja viel Schlechtes gesagt. Schaut man genauer hin, sieht man: Ihr Leben war eine Tragödie und alles andere als einfach. Ich freue mich übrigens nicht nur auf meinen Vortrag, sondern auch ich bin schon jetzt gespannt auf die Ausstellung.